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Nähen

Think outside the box!

Dies ist kein üblicher Blogpost von mir, voll mit schönen Bildern mit kompletten Outfits bei tollem Wetter… Obwohl, ein richtig schönes Bild habe ich für euch 🙂 Aber heben wir uns dieses Schmankerl für später auf…

Ein, zwei Tops aus Jersey, ärmellos

Ursprünglich war es keineswegs als ein Projekt gedacht, das eines Blogbeitrags würdig wäre. Auch wenn es im Moment nicht so aussieht – der nächste Sommer kommt bestimmt und alle meine ärmellosen Tops sind bereits seeehr abgetragen. Zugegeben, in einem kurzen Panikmoment habe ich sogar daran gedacht, welche zu kaufen. Aber dann stellte ich den voraussichtlichen Aufwand gegenüber:

Kaufen:

Suche. Geschäfte vor Ort? Wann? Am Wochenende? Uff…. Zalando? Anprobieren. Ggf Rückversand organisieren, es passt nie alles auf Anhieb. Wenn alles passt: Träger abstecken, kürzen mit der Overlock – sie sind bei mir immer! immer zu lang.

Selbst nähen:

Schnittmuster zeichnen, abpausen, Top ausschneiden, overlocken, dann Hals- und Ärmelausschnitt.  Voraussichtlich 5 Stunden? Höchstens 6, sagte ich mir.  Und wenn alles gut geht, kann ich den Schnitt reproduzieren und das Problem ist für immer Geschichte.

Na bitte, dann los geht’s. Der Ostermontag schien ein perfekter Tag für so ein Zwischendurch-Projekt.

Ich habe schon etliche T-Shirts mit Ärmel genäht, also machte ich es mir noch einfacher und pauste den T-Shirt-Schnitt ab, zeichnete den Arm- und den Halsausschnitt neu ein, schnitt aus und nähte. Der Schnitt ist ja erprobt.

Und dann kam das böse Erwachen.

Gottseidank probierte ich es an, bevor ich mich an die Arbeit mit den Ausschnitten machte! Der Schnitt ist ja erprobt!

Alles passte wunderbar, nur klafften die vorderen Armausschnitte oberhalb der Brust auf, und zwar so richtig. Auf jeder Seite war da bis zu 5 cm Stoff zu viel.

„Vielleicht helfen da Bündchen bei den Armausschnitten“, dachte ich. Vielleicht sind sie dazu da, das Ganze zusammen zu halten, man näht sie schließlich mit Zug an. Na, was glaubt ihr? Der so „versteifte“ Armausschnitt (zum Glück hab ich nur einen gemacht, bevor ich wieder anprobierte) klaffte nun umso besser, hatte er doch Stütze bekommen.

So ratlos war ich noch nie. Ein erprobter Schnitt, nur halt ohne Ärmel! Oder werden eventuell ärmellose Tops ganz anders konstruiert? Mit anderen Formeln, anderer Schablone? Blödsinn, das kann doch auch nicht sein!

Als Nächstes: googlen. „Das Problem der klaffenden Armausschnitte betrifft vor allem große Brüste“… „Hier muss auf jeden Fall eine FBA (full bust adjustment) durchgeführt werden“. Oh Mann, dass ist nicht euer Ernst! Gut, Internet ist auch keine Hilfe…

Mittlerweile hatte sich auch mein Mann dazu geschaltet. Er hat mit dem Nähen nichts am Hut, aber er liebt Rätsel. Und ich hatte genug günstigen Jersey und viel Zeichenpapier..

Zeichnen – zuschneiden – zeichnen – zuschneiden…

  • Top als Ganzes schmäler machen? Vielleicht ist es zu weit?
  • Armausschnitte zu rund? Was ist, wenn sie „gerader“ wären?
  • Vordere Schulter heben! Irgendwer im Internet hat das gemacht!
  • Vielleicht ist die abfallende Schulterlinie das Problem… Vielleicht sollten die Träger gerade sein?
  • So, und das Top noch enger machen! Vielleicht hilft es!

Ja, ich habe insgesamt 4 Tops zusammengetackert und jede einzelne Hypothese ausprobiert. Stunden um Stunden. Alles, was ich für „die“ Lösung hielt, musste nach und nach verworfen werden.

Und irgendwann stand ich nur da und schaute mit sinnentleertem Blick auf das ursprüngliche Top, während mein Liebster daneben stand und eine höchst komplizierte Vermutung entwickelte, nämlich, dass exakt diese Armausschnitt-Krümmung niemals mit genau dieser Schulterlinie korrelieren könne, weil nämlich die beiden Winkel…

Wart, sagte ich und zog mich aus. Nein, nein, nicht wegen Stressabbau, als nächstes stand ich nämlich mit einem Maßband vor ihm 🙂 „Miss meine Oberbrustweite, bitte“, bat ich. „Fest, bitte“. -„68“, sagte er.

Was, du bist unfähig! Du bist auch keine große Hilfe! Das kann nicht sein! Schau, hier im Buch steht, wie du messen sollst! Mach ordentlich!

„68“, sagte er. – „Hm, und wenn du sehr locker misst?“ – „72“, sagte er.

Bäm!

In allen meinen Konstruktionen bis ich bisher von 76 ausgegangen.

Ich wollte eigentlich bereits meine Ruhe und Feierabend haben, aber ich holte noch ein Blatt Zeichenpapier und erstellte einen Grundschnitt zwei Größen kleiner. Schnitt zu und nähte mit der Overlock. Mein Liebster schenkte mir ein Glas Wein ein. Ich probierte. Die Träger passten. Nichts klaffte mehr, die Armausschnitte schmiegten sich an meine Schultern.

Na klar, sagte mein Mann, das erste Shirt war eh viel zu groß. Und zog es an 😀

top-passform-probleme

Und die Moral von der Geschicht?

Ich hätte mir fast einen ganzen Tag sparen können 🙂 Wenn ich mich gleich mit der Ursache und nicht mit Symptomen beschäftigt hätte…

Und ich muss alle meine „erprobten“ Schnittmuster neu erstellen. Ich weiß nicht, wie der Messfehler zustande kam (die verlorenen 2 kg können doch nicht die Ursache für den Unterschied gewesen sein?), aber nun merke ich, dass meine T-Shirts und Blusen viel Mehrweite exakt über der Brust haben. Durch die perfekte Passform der Ärmel, Brusthöhe, Brust- und Taillenweite fällt es nur nicht auf.

Die Frage ist nur, ob ich tatsächlich besser von 68 oder 72 cm ausgehen soll, aber das erfahre ich nur durch Ausprobieren.

Think outside the box, meine Lieben, oder wie sagt man noch bei uns in Österreich – mitdenken ist nicht verboten 🙂

Ich habe bereits eine Hose, Bluse und Weste konstruiert – um schließlich an einem ärmellosen Top aus Jersey zu scheitern. Aufstehen, Krone richten, weitergehen. Das nächste Näh-Wochenende kommt bestimmt.

 

 

pinit fg en rect red 28 - Think outside the box!

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