Vintage in Zartrosa – Original Schnittmuster von Butterick
Es ist wieder Zeit für ein Vintage Projekt hier auf dem Blog. Zur Zeit nähe und trage ich gerne aktuelle Kleidung (meine allerliebste Kombi: eine alte graue Jeans kombiniert mit einem altem grauen Schwangerschaftsshirt, ach, was würden die anderen Sandkasten-Mamas lachen, wenn sie wüssten, dass ich einen ähm, „Fashion“-Blog führe…). Aber meine Vintage-Kleider, das ist eine ganz besondere Liebe, der ich immer treu bleiben werde.
Ein Vintage Butterick Schnitt
Nach diesem Projekt, das nach einem Vogue Reproduktionsschnitt entstanden ist, habe ich mich bereits zwei Mal an originale Schnittmuster aus den 40er und 50er Jahren gewagt. Das zweite Kleid – das eigentlich das frühere ist – muss ich erst verbloggen; heute zeige ich das spätere und das einfachere der beiden.
Das Schnittmuster
Butterick 6590, ein typischer Etsy-Fund, mit Versandkosten drei Mal so hoch, wie das Schnittmuster gekostet hat. Und ja, ich habe es in der gleichen Farbe wie auf dem Umschlag genäht. ))
Ich hatte einen unbekannten Stoff mit einem hohen Synthetik-Anteil, den ich um 3 Euro/Meter bekommen habe – anders kann man sich die stofffressenden Vintage-Kleider ja fast nicht leisten! Deshalb habe ich mich im letzten Moment wieder für die ärmellose Version C entschieden – ich bin ein Hitzkopf, und in Synthetik schwitze ich nicht gern. Wenn ich einmal genug Seide oder Baumwolle habe, würde ich gerne die Version mit langen Ärmeln nähen – die beiden Abnäher am Ellbogen sind entzückend, ich würde nur zu gerne sehen, wie sie sich auf die Passform auswirken!
Das Kleid ist denkbar einfach zu nähen: sechs Teile, vier Abnäher und ein Reissverschluss. Die Vintage Anleitungen sehen bei Kleidern nie ein Futter vor; die Damen trugen damals Unterkleider und Petticoats. Es ist auch wesentlich günstiger, da stoffsparender, ein, zwei Unterkleider zu nähen, als jedes Kleid extra mit einem Futter zu versehen.
In meiner Sammlung habe ich auch ein Vintage Schnittmuster für ein Unterkleid aus den fünfziger Jahren, mit einer tief angesetzten Taille und ausladendem Rock – mal sehen, ob ich noch in diesem Leben dazu komme… Das rosa Kleid ist auf jeden Fall ohne Futter und einen „modernen“ Petticoat kann ich darunter auch nicht tragen, da er auf der natürlichen Taille gekräuselt ist und nicht erst ab der Hüfte. Finde ich für ein luftiges Sommerkleid auch okay.
Meine Anpassungen
Da ich bereits ein Original Vintage Kleid genäht habe, das exakt auf meine Maße zugeschnitten sein müsste (bzw. sogar kleiner, denn 30 inch sind 76 cm, keine 78!) und das viel zu weit in der Oberweite geworden ist, habe ich hier zum ersten Mal eine SBA (Small Bust Alteration, das Gegenteil der Anpassung für volle Brüste) vorgenommen. Und das gleich auf dem abgepausten Schnittmuster, ohne auch nur ein Probemodell zu nähen.
War es sinnvoll? Keine Ahnung. Der Kimono-Ärmel sieht ja eine bestimmte Mehrweite für die Bewegung vor. Möglicherweise hätte ich mir damit die Bewegungsfreiheit eingeschränkt, wenn ich die Version mit den langen Ärmeln genäht hätte. Und ich habe nur 2cm Weite weggenommen. Vielleicht hätte man auch keinen Unterschied gemerkt, wenn ich es gleich gelassen hätte.
Aber das Kleid passt gut, liegt schön an, und ich weiß nun, dass ich mich vor einer SBA nicht fürchten muss. Ging in 10 Minuten!
Weiteres Fazit: von den alten Schnittmustern der New York Patterns lasse ich lieber die Finger, die alten Butterick Schnittmuster scheinen hingegen gut zu meiner Figur zu passen. Über die modernen Buttericks habe ich ja oft genug gelesen, dass sie vieel zu viel Mehrweite hinzugeben…
Nach einer gelungenen SBA (zumindest sah das Schnittmuster plausibel aus) war ich im richtigen Anpassungswahn, die 10 investierten Minuten waren mir nicht genug! Da das Kleid eine Naht in der vorderen Mitte vorsieht, war für mich der richtige Moment gekommen, die exotischste Anpassung vorzunehmen, von der ich je gehört habe.
Es hört sich nur zu lustig an: eine Anpassung für einen extra flachen Bauch. Davon habe ich mal vor Jahren in einem russischen Schneiderinnen-Forum gelesen, ansonsten ist es mir noch nie untergekommen. Die Grundidee ist die, dass wenn eine Frau sehr schlank ist, dann stehen ihre Rippen im Vergleich zum flachen Bauch etwas hervor. Wenn man dann die Figur im Profil anschaut, „hängt“ der Stoff des Kleides von den Rippen gerade runter, anstatt sich an den Bauch anzuschmiegen. Mit Hilfe eines 1cm breiten vertikalen Abnähers direkt auf der Taille wird der Stoff dazu gebracht, der natürlichen etwas einfallenden Linie zu folgen.
Zugegeben, eine etwas unnötige „Luxusänderung“, aber sie erfüllt ihren Zweck gut. Nach der Geburt meines Sohnes und vielen Monaten ohne nennenswerten Sport bin ich zwar schlank, aber bei weitem nicht so durchtrainiert, wie ich es mal war. Diese kleine Anpassung macht zumindest optisch einen sportlichen „Hungerbauch“, den ich früher hatte und an mir mochte. Sollte mir irgendwann wieder ein figurbetontes Schnittmuster mit einer mittigen Naht unterkommen, würde ich diese Anpassung wieder machen.
Und da ich schon dabei war, habe ich im unteren Rücken einen horizontalen Abnäher aufgeschnitten und 1 cm weggenommen. Das war meine Anpassung fürs Hohlkreuz.
Das Kleid passt genau, hat sehr wenig Bequemlichkeitszugabe, aber in Bewegung bildet es dennoch viele kleine Fältchen. In dem Schneiderinnen-Forum habe ich gelesen, dass die vielen geschickt platzierten Abnäher in den Vintage Schnittmustern genau diesen Effekt bewirken sollen. Es soll suggerieren, dass die Trägerin noch schlanker sei, als sie aussieht, denn ihr Kleid sei ihr einen Tick zu groß!
Ich weiß nicht, ob es damit wirklich was auf sich hat, aber es gefällt mir, wie das Kleid an mir aussieht. Außer…
Die wichtigste Anpassung, die ich jedoch nicht vorgenommen habe
„Wird schon passen,“ dachte ich. Die Frauen damals waren ja kleiner als heute.
Mag schon stimmen, aber wir sprechen hier nicht vom Neandertaler-Zeitalter, und der durchschnittliche Mensch war 1950 nicht 159 cm groß! Wann werde ich es endlich lernen: Ich muss das Oberteil immer kürzen. Somit ist die Taille hier nicht nur tief, sondern eindeutig zu tief angesetzt. Meh. Weitere 10 Minuten für eine Anpassung, die ich mir einfach eingespart habe. Auch war mir nicht bewusst, dass die schweren Rockbahnen das Oberteil noch mehr runterziehen würden.
Sollte ich das Kleid jemals wieder nähen, kommen da mindestens 2 cm weg. Dieses Kleid werde ich aber trotzdem gerne tragen. Die hyperbolisch tiefe Taille erinnert mich an die Cocktail-Kleider meiner Mutter aus den 80ern – und das ist ja auch irgendwie Vintage!
Cheers und bis zum nächsten Mal!
Juli
Verlinkt zu
michou-loves-vintage.de : Gebluemte Sommerbluse oder der grosse Murks plus Linkparty
18 Kommentare
Astrid
Hallo, das Kleid ist ein Traum. Woher bekomme ich das Schnittmuster? Liebe Grüße, Astrid
Juli
Hallo und danke für dein Kommentar! Ich habe dieses Schnittmuster auf Etsy erworben – ich glaube, es wurde sogar aus Übersee geschickt! Du gibst in die Suchleiste „Vintage pattern bust 30/32/34 (je nachdem, was deine Größe ist) – und schon hast du eine Riesenauswahl an alten Schnittmustern! Nicht alle günstig, aber dafür alle speziell 🙂
Liebe Grüße
Juli
Heike
Deine Umsetzung von diesem Vintage-Schnitt ist ja ganz bezaubernd geworden.
LG, Heike
blaue Seide
Oh, vielen, vielen Dank! Liebe Grüße Juli
made with Blümchen
Boah, habt Ihr noch viel Schnee, und so tolle, aufwändige Fotos! Und es stimmt: Ein Gürtel würde die Wespentaille –> Sanduhrfigur noch mehr betonen. Mich schrecken Polyesterstoffe ab, aber du hast natürlich völlig Recht mit den Stoffmengen, die solche Kleider brauchen. Jedenfalls eine schöne Inspiration! Ich muss mir bald ein neues Tanzkleid nähen… lg, Gabi
blaue Seide
Jaa, man kann nie genug Tanzkleider haben! In jeder Farbe mindestens eins! – Ganz schön viel Schnee, ja, aber zum Glück nicht „bei uns“ in Wien, wo ich lebe 😁 Da waren wir im Urlaub in den Bergen. Wunderschön, sag ich nur, aber im normalen Leben halte ich nicht viel von Schneestürmen Mitte März 😂 Da gab’s ein paar in der Woche, als wir da waren… Liebe Grüße Juli
Kuestensocke
Ich war schon sehr gespannt auf Dein Kleid! Wahnsinnig schön! Die zarte Farbe passt super zu dem Schnitt und zu Dir, das ist wirklcih traumhaft. Mir gefällt die Kräuselung am Rock das ist genau das richtige Maß um gut zu wirken. Ja im Oberteil könnten 2 cm weg, aber auch in diesem Look schaut alles absolut stimmig aus. Bei den Vintageschnitten wundern mich immer wieder die einfachen Ärmel und hätte Sorgen, dass es bullerig aussieht ohne richtige Armkugel. Du hast das prima gelöst! LG Kuestensocke
blaue Seide
Danke, das hast du so lieb geschrieben! Nach all den netten Kommentaren brenne ich nun, ein neues Kleid nach dem gleichen Schnittmuster mit langen Ärmeln und kürzerem Oberteil zu nähen! Aber auch dieses Kleid werde ich sehr gerne tragen. Ja, ich weiß, was du meinst mit den bullerigen Ärmeln, das hat mich anfangs auch verunsichert, aber man muss sich vor Augen halten, der Effekt, dass es aufträgt, ist durchaus gewollt. Wenn die Schultern optisch breiter wirken, wirkt die Taille automatisch schmäler! So habe ich das gelesen: die Taille bekommt in den alten Schnitten 0 bis 2 cm Mehrweite, Brust und Hüfte hingegen 4 bis 10 cm – so entsteht die Sanduhrfigur… Liebe Grüße Juli
Frau Nähfreundins Tagebuch
Ein Traum von einem Kleid. Zu schade, daß sich solche Kleider oft nur schwierig in unseren Alltag integrieren lassen. Das kenne ich nur zu gut. Ich wünsche Dir viele Gelegenheiten, das Kleid auszuführen zu können. Tolle Fotos übrigens!
Liebe Grüße
Susan
blaue Seide
Danke!! Das Kleid habe ich extra für die Firmenweihnachtsfeier genäht und bisher auch nur da ausgeführt, das Shooting im Kinderhotel ausgenommen )) Sobald ich wieder im Berufsleben stehe, werde ich es sicherlich an heißen Sommertagen im Büro tragen – für die Sandkiste ist es eher nichts )) Obwohl ich im Netz immer wieder auf nähende Mamas stoße, die auch mit Kleinkindern viele Röcke und Kleider tragen – für mich hat sich das gar nicht bewährt!
Michou
Irgendwie bin ich verschwunden …
Hatte dir vorhin geschrieben, dass ich das Kleid wunderschön an dir finde und auch die Taille gar nicht zu lang, weil genau die es ist, die deine Zartheit so betont.
blaue Seide
Danke!! Schön zu lesen, dass das Kleid und seine Taille auch als „genau richtig“ gesehen werden kann. Es hat das Potenzial, mein Lieblings-Sommerkleid zu werden. Liebe Grüße Juli
Herzkoma
Einfach toll. Ich mag Vintage und nicht nur als Bekleidung. Das Kleid ist der absolute Hammer und die Schuhe sind nicht zu toppen. Du verfügst natürlich auch über die ideale Figur und deine Schönheit als Frau muss ich nicht extra erwähnen, sonst denken wieder einige, ich würde hier flirten wollen. Nein, ich meins ernst. Hat mich tief beeindruckt, was du hier wortwörtlich auf die Beine stellst. Ich kann dich in allem nur bestärken. LG PP 🙂
blaue Seide
Hey, danke für die schönen Worte! Ich freue mich, dass der Beitrag gefällt und auch außerhalb der Nähcommunity als Inspiration dient. Liebe Grüße Juli
Anne von beswingtes Allerlei
Oh, ein sehr süßes, mädchenhaftes Kleid, das Du Dir da genäht hast – steht Dir sehr gut! Die Anpassungen scheinen auch alle Sinn gemacht zu haben, obwohl ich das Oberteil ebenfalls einen Tick zu lang finde – vielleicht würde ein kleiner Gürtel optisch aushelfen?
Jedenfalls bist Du hervorragend auf den Frühling vorbereitet! 🙂
Liebe Grüße, Anne
blaue Seide
Danke schön! Ja, du hast Recht, süß und mädchenhaft ist genau das, worauf ich jetzt Lust habe, nach dem ersten Babyjahr, in dem ich fast ausschließlich Jeans getragen habe! Der Gürtel ist eine super Idee – das Modell auf dem Umschlag sieht ebenfalls einen vor. Ich könnte zB den Gürtel mit der Masche von Tilly and the Buttons nachnähen – ach, wenn ich mich nur dazu überwinden kann!! Ich habe bereits 578 neue Projekte im Kopf…
Liebe Grüße
Juli
Sarah
Großartig, gefällt mir total gut! LG Sarah
blaue Seide
Danke schön, das freut mich! Liebe Grüße Juli