Fast ein Hosenanzug – monochrom in Blau
Bluse: Burda 3/2018
Eines meiner Lieblingsprojekte von den neueren.
Meine selbst genähten Sachen teile ich in meinem Kopf in zwei Abschnitte – die, die vor meiner Schwangerschaft entstanden sind, und die, die ich nach einer 13-monatigen Pause danach gemacht habe. Die Kleidungsstücke „danach“ sind meistens einfacher und schneller zu erstellen, aus Zeit- und Motivationsgründen. Da die Projekte auch dazu dienen sollen, meinen großen Stoffvorrat abzubauen, sind sie möglicherweise weniger gut geplant und durchdacht, als zu der Zeit, als ich für jede meiner Ideen einen Ausflug in ein gut sortiertes Fachgeschäft machen konnte. Ich freue mich, dass trotz der Einschränkungen regelmäßig schöne und vor allem tragbare Sachen meinen Kleiderschrank bereichern – nähen ist in der Tat wie Zaubern können!
Die Hamburg-Bluse
Im vergangenen Jahr, als mein Sohn gerade mal ein halbes Jahr alt war, haben wir ein paar Wochen in Hamburg verbracht. Das Fliegen mit einem unruhigen aufgeweckten Baby war nie auf meiner „100 Amazing Things To Do Before You Die“ Liste, aber mein Mann musste auf eine längere Dienstreise fahren und wir durften mit.
Da die Dienstwohnung nur einen Katzensprung von seiner Firma lag, habe ich ihn regelmäßig mit dem Kinderwagen von der Arbeit abgeholt.
Es war ein eigenartiges Gefühl, den Kinderwagen durch eine Gegend zu schieben, in der es keine Wohnungen, sondern nur Konzern-Gebäude, Lagerhallen, Parkplätze und Restaurants gibt. Sogar im Haus, wo wir gewohnt haben, gab es keine weiteren Wohnungen, sondern nur Anwaltskanzleien. (Welchen Champagner trinken Anwälte eigentlich? Sie haben sich bestimmt alle zusammengetan und einige Korken knallen lassen, als wir Ende September wieder abgereist sind – unser kleines aber sehr lautes Baby hatte auch ein paar, ähm, nicht so gute Tage in Hamburg).
Es war sicher bereits am ersten oder zweiten Abend, als ich die Frau im blauen Hosenanzug das Konzerngelände verlassen und ihrem Feierabend entgegen treten sah. Der Anzug war dunkelblau, schmal geschnitten, die Hose war 7/8 lang. Dazu trug sie strahlend weiße, perfekt neue Sneaker.
„Also so kleidet man sich momentan im Büro“, dachte ich. In den vergangenen 15 Monaten habe ich nichts anderes als langweilige Jersey-Schwangerschaftsteile und süße Babyoutfits angeschaut und eingekauft, es hat mich auch nichts anderes interessiert. 15 Monate – die genau in diesem Augenblick schlagartig vorbei waren. „Das trägt man 2018 im Büro, aha.“
Zu Hause wartete eine vor der Dienstreise zugeschnittene Bluse auf mich. Ich habe tatsächlich früher zu nähen angefangen, als mich wieder für Kleidung zu interessieren.
Kein Ruck-Zuck Modell
Ich habe mich für diese Bluse aus Burda 3/2018 entschieden, da es ein Kurzgrößen-Modell ist (in Größen 17 bis 21) und ich somit keine Änderungen durchführen musste. Außerdem hatte ich 2 Meter schweren Polyester-Krepp daheim, den ich vor Urzeiten sehr günstig gekauft habe (2 Euro pro Meter, glaube ich). Mittlerweile kaufe ich ja keine synthetischen Stoffe für Oberteile mehr. Ich dachte anfangs, es ist keine optimale Entscheidung, „nur“ eine Bluse aus dem Stoff zu nähen, es bleibt bestimmt ein mittelgroßer Rest über, mit dem man nichts anfangen kann. Aber diese Bluse ist ein Stofffresser: es ist kein Rest über 20cm geblieben, und kleinere Abschnitte werfe ich kompromisslos weg.
Beim Nähen wird einem nicht langweilig: 13 Schnittmusterteile (von denen einige natürlich doppelt zugeschnitten werden), etliche Abnäher, Raffungen an 8 (!) Stellen, und drei Kellerfalten. Aber ich kann mich an keine besonderen Schwierigkeiten erinnern, und ich habe auch kein Probemodell erstellt. Die Bluse fällt sehr locker, außerdem kann man die Passform zum Schluss beim Platzieren der Druckknöpfe nachjustieren. Ich habe mich nicht an die Angaben auf den Schnittmusterteilen gehalten, sondern die Lage der Knöpfe auf der fertigen Bluse bei der Anprobe markiert.
Trotz des Aufwands würde ich die Bluse definitiv noch einmal nähen – sobald ich einen passenden Stoff finde, der fließend und schwer ist, und gleichzeitig etwas Stand hat. Er muss auf jeden Fall wieder einfärbig sein – Burda hat einen Fehler gemacht, finde ich, die Bluse in einem wild bedruckten Stoff zu präsentieren. Wegen dem Print habe ich gar nicht gesehen, wie schön sie eigentlich ist. Wie bereits erwähnt, habe ich sie nur genäht, weil ich ein Kurzgrößenmodell von Burda ausprobieren und den blauen Krepp endlich verarbeiten wollte.
Halbes Jahr später
Ende Oktober war die Bluse fertig; in der kalten Jahreszeit habe ich sie nicht mehr angezogen, nur einmal mit einer beigen Jeans anprobiert und zufrieden zu den Sommersachen abgelegt. Im April kam endlich der Frühling und all das frische Grün, das man auf den Fotos gar nicht sieht. Für das Shooting beschloss ich, die Bluse mit dieser blauen Hose zu kombinieren (ebenfalls ein Burda-Modell). Da wir nachher einen schönen langen Spaziergang und ein Abendessen planten, mussten natürlich auch meine neuen Turnschuhe her. Nach den täglichen Kinderwagen-Halbmarathons des ersten Babyjahres musste ich alle meine flachen Schuhe austauschen.
Und dann erinnerte ich mich plötzlich an den sonnigen September in Hamburg und die hübsche Businessfrau aus dem Konzern. Ich hatte mein neues Traumoutfit fürs Büro an.
Das Gesamtoutfit
Bluse: Burda 3/2018 115B
„Torero-Hose“: Burda 2/2016 114
Cashmere-Cardigan: Christian Berg
Schuhe: Lacoste
Liebe Grüße und bis bald!
4 Kommentare
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blaue Seide
Danke für deine lieben Worte! Einerseits nähe und trage ich so gerne Vintage Kleidung, andererseits bleibt es immer eines der schönsten Komplimente, wenn jemand sagt, meine Outfits liegen „im Trend“. Da wohnen, ach, zwei Seelen in meiner Brust :)) Ich habe mich so gefreut über deinen Kommentar. Und der Hose würde ich auf jeden Fall noch eine Chance geben – dadurch, dass sie einen Stoff mit Stretch-Anteil erfordert, kann man das Ergebnis gerade beim ersten Versuch nicht so gut voraussagen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass jeder Stretch-Stoff anders dehnbar ist, auch wenn der Elasthan-Anteil der gleiche ist. Ich möchte die Hose auch noch auf jeden Fall nachnähen, weil ich sie so gern mag und wirklich oft trage. Allerdings ist der andere Stoff, den ich dafür eingeplant habe, leichter und mehr dehnbar. Da überlege ich auch, ob ich nicht von vornherein zumindest einen cm an den Seiten wegschnipsle. Du könntest also für deinen zweiten Versuch eine Nummer größer machen oder einen Stoff nehmen, der sich mehr dehnt. Ganz liebe Grüße Juli
Sandra
Monochrom ist ja dieses Jahr total angesagt und 7/8 ist immer noch angesagt und Blusen sind wieder angesagt…also, angesagter, als Du mit Deinem tollen Outfit, kann man gar nicht sein ;). Aber im Ernst, Deine Zusammenstellung ist sportlich und feminin zugleich. Ich erinnere mich an einige Photos von Audrey Hepburn, auf denen sie auch diesen Look celebrierte. Außerdem ist es schön zu sehen, dass die Burdabluse ohne ablenkendes Muster so viel hermacht. Die hab ich mir gleich mal auf meine To-Näh-Liste gesetzt. Deine Version der Torero-Hose gefällt mir ebenfalls (deutlich besser, als meine, die eher an Presswurst erinnert). Vielleicht geb ich ihr noch eine Chance und näh sie nochmal eine Nummer zu groß. Und jetzt wünsch ich Dir viel Spaß beim Ausführen von Bluse und Hose :). LG Sandra