Blaues Vintage Kleid – New York Pattern 1470
Werbung, da Markennennung.
The New York Pattern Company started in 1932 and continued until the early 1950s. They were unique in that the pattern sleeves had drawn characters rather than photos and the paper used was non-glossy. (Wikipedia: History of sewing patterns)
Mit einem Schnittmuster der New York Pattern Company gelang mir (mehr oder weniger) der Einstieg ins Nähen von Original-Kleidern aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Ich habe das Schnittmuster über Etsy ganz zu Beginn gekauft, gleich nachdem ich dieses Vintage Vogue Kleid genäht habe. Das 50-er Jahre Vogue Kleid ist eine Reproduktion, das heißt, die Passform wurde möglicherweise geändert, irgendwelche typischen Details wurden möglicherweise weggelassen und die Anleitung wurde im modernen Wortlaut und für moderne Methoden verfasst. Die Anleitung, in die ich sowieso nicht mal einen Blick riskiert habe. Eigentlich wurde dieses erste Kleid für mich von meiner damaligen Nählehrerin mit meinen Händen genäht.
Dennoch war ich mutig genug, gleich als Nächstes ein unbedrucktes altes Schnittmuster zu bestellen. Ein Schnittmuster, das nur für eine Größe ausgelegt ist, was eine Gradierung unmöglich macht. Ein Schnittmuster, in dem alle Abnäher und Markierungen nur mit perforierten Löchern gekennzeichnet sind, und das nicht einmal sehr genau.
Aber um es zu nähen, war ich schließlich drei Jahre lang nicht mutig genug.
So lange her
Über die New York Pattern Company habe ich nur eine einzige Erwähnung im Netz gefunden, über die Mode der 40er Jahre im Allgemeinen findet man viel.
Und erst nachdem ich – im Nachhinein – mich in die Geschichte der Mode eingelesen habe, wurde mir klar, wie unglaublich weit diese Dekade zurück liegt. Viele Generationen liegen zwischen uns und der Kriegszeit, und wie anders die Welt und die Mode geworden sind!
Alle Artikel über die Mode der 1940er Jahre ziehen naturgemäß die Jahrzehnte vorher und nachher zum Vergleich heran. Ich bin ein Millennial und habe nur die Erfahrung, wie Mode „jetzt“ funktioniert.
Der Stoffverbrauch
Die Mode der 40er Jahre war vor allem von Sparsamkeit und Rationierung geprägt. Alte Kleider wurden umgenäht (hello #refashion!), neue Schnittmuster mussten auf einen vernünftigen Stoffverbrauch ausgelegt sein. Im Jahrzehnt davor wurden Kleider gern im schrägen Fadenlauf zugeschnitten (die berühmten „bias cut gowns“ der dreißiger Jahre), die fünfziger Jahre werden sowieso immer in einem Atemzug mit dem üppigen Stoffverbrauch erwähnt. Da stechen die strengen Linien der Mode der Kriegszeit zweifellos hervor.
Was dieses Kleid und seinen Werdegang betrifft, so habe ich es leider nicht aus dem Stoff nähen können, den ich ursprünglich dafür vorgesehen hatte. Obwohl ich das Rockteil wie immer kürzen musste und ich immerhin fast zwei Meter davon habe. Soviel zum sparsamen Stoffverbrauch.
Den ursprünglich geplanten Baumwollprint mit Vintage-Motiven muss ich also zu einem anderen Modell verarbeiten – voraussichtlich wird wieder ein Megan Dress daraus. Dieses Schnittmuster ist in den üppigen 2010er Jahren im florierenden London entstanden und erfordert ganz, ganz wenig Stoff. Da geht sich glatt noch eine Kleinkindhose aus!
Für dieses Kleid habe ich einen festen Möbelstoff genommen, den ich um 3 Euro pro Meter bekommen habe. Davon hatte ich drei Meter und diese sind nun weg – wobei ich (Webstoff-)Reste unter 25 cm grundsätzlich nicht aufhebe. Wegen dem hohen Polyester-Anteil (die genaue Zusammensetzung kenne ich natürlich nicht) klebt das Kleid leider an den Beinen, also kann ich es nur mit meinem Petticoat tragen. Ich habe etliche ungefütterte Kleider und Röcke aus komischen Möbelstoffen, davon sind die meisten unproblematisch in dieser Hinsicht, das war hier also einfach Pech.
Die Details
Auch wenn es immer heißt, für die Mode der 40er Jahre stand die Funktionalität an erster Stelle – was für ein Unterschied zu den 2018/2019 Sackblusen von Burda, die ich gerade so gerne nähe!
Vorderteile gekräuselt, Ärmel gekräuselt, Abnäher im Rücken, der typische Tailleneinsatz, vier Knöpfe und nicht zu vergessen die Manschetten, die ich dann doch weggelassen habe. Ich komme immer wieder neu darauf: lange Ärmel auf üppigen Kleidern sind zu wuchtig für meine kleine Statur. Außerdem ist mir öfter mal heiß und im Kleid kann man ja schlecht einfach mal eine Schicht ausziehen. Außerdem habe ich die Nähanleitung für die Manschetten nicht wirklich gut verstanden und sie ein wenig vermasselt, sei’s drum.
Es ist auf jeden Fall kein schnelles Projekt für Zwischendurch, anders als dieses Butterick Kleid, ebenfalls original Vintage. Aber das ist auch bereits ein anderes Jahrzehnt.
Die Passform
Puh, da habe ich mich eindeutig zu wenig mit dem Probemodell auseinander gesetzt. Seit diesem Kleid mache ich übrigens keine Probemodelle mehr. Denn wenn ich nicht zu faul bin, eins zu erstellen, bin ich dann garantiert zu faul, um Änderungen daran vorzunehmen. „Wird schon passen, ist ja nicht der Originalstoff“. Ähem.
Das Schnittmuster ist für nur eine Größe ausgelegt, und zwar für die „30 Inches“-Oberweite. 30 Inches sind sogar 76 cm, das sind 2 cm weniger, als meine Oberweite. Deshalb bin ich davon ausgegangen, das Kleid würde schon passen, auch wenn ein wenig zu viel Mehrweite einkalkuliert ist. Aber es ist zu groß im Brustbereich geworden.
Mit einem Push-Up BH kann ich es tragen, ohne dass mich die Mehrweite sehr stört. Aber… ein Kleid, das NUR mit einem Petticoat und speziellen BH zu tragen ist? Es ist eben ein Kleid geworden, das ich zwar gern, aber nicht sooo häufig anziehe. Kaum zu glauben, dass die Frauen früher ständig in Petticoats und „richtigen“ BHs (statt den „zwei ungefütterte Dreiecke und ein Spitzenband“ Modellen von heute) herumgelaufen sind!
Da mir das Modell an sich sehr gut gefällt, wollte ich gleich im Anschluss ein sommerliches Kleid nach dem selben Schnittmuster erstellen. Ohne Ärmel, aber mit gefüttertem Rockteil. Hierzu habe ich auch eine Anpassung für die kleine Oberweite vorgenommen, keine Ahnung, ob richtig und gut gelungen. Es sind mir dann andere Projekte dazwischen gerutscht, und das Kleid liegt immer noch unfertig in einer Lade. Nun gut, der Sommer kommt ja immer wieder.
Trotz all den kleinen Unvollkommenheiten – man kann nie zu viele hellblaue Kleider im Schrank haben, was meint ihr?
Liebe Grüße und viel Spaß beim heutigen MeMadeMittwoch! Die letzte Sommerausgabe, da bin ich gespannt, ob bereits die ersten Herbstprojekte rein trudeln… Mein Kleid zähle ich auf jeden Fall dazu.
Juli
Verlinkt bei: MMM
10 Kommentare
Heike
Ich finde dein Kleid sehr schön, allerdings wirkt es obenrum doch etwas wuchtig. Ich bin auf deine geänderte Sommervariante gespannt.
LG, Heike
Juli
Danke für die lieben Worte! Meinen Petticoat habe ich von petticoatshop.de, da kann man, glaub ich, zwischen drei Stufen auswählen… Meinen super-ausladenden Petticoat habe ich hingegen schon 8 Jahre oder so nicht mehr angehabt ))
Liebe Grüße
Juli
Stefanie
Dein Kleid ist hinreißend geworden. Schade, dass der Stoff nicht so toll zu sein scheint. Statt des Petticoats kannst Du doch einen Unterrock aus Wirkfutter (ist antistatisch) machen, oder trägst Du nur „original“ Vintage?
Viele Grüße, Stefanie
look_at_her_sew
Sieht toll aus! Schade dass du damit einige Probleme hattest. Das mit der Unlust auf Anpassungen nach dem Nähen des Probeteils kenne ich auch.. 🙈 Gab’s zu dem Schnittmuster eine Anleitung? Und wenn ja, hast du sie verwendet? Würde mich interessieren, wie die sich von modernen Anleitungen unterscheidet. LG von Bettina
Kitty Koma
Ich glaube, in den 40ern gab es keine ausgeklügelten BHs. Die waren so einfach wie der Kleidschnitt. https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCstenhalter (auf der rechten Seite des Artikels gibt es ein Bild eines 40er-Jahre-BHs
Juli
Ah, danke für den Hinweis! Das ist eigentlich logisch, dass die aufwändig herzustellenden Bullet Bras erst nach der Kriegszeit aufgekommen sind… Aber nun verstehe ich noch weniger, warum so viel Mehrweite im Schnitt enthalten ist…
Liebe Grüße
Juli
Susanne
Wow-das Kleid sieht ganz großartig an dir aus!
Und ich bin sehr dafür, dass du es noch einmal aus angenehmer zu tragendem Stoff nähst.
LG von Susanne
Juli
Danke )) Genau, und wenn ich erst die Passform knacken würde… Könnte ich es noch oft nähen!
Liebe Grüße
Juli
Sarah
Total schöner Text und schöne Bilder! Vom Kleid mal ganz abgesehen… Ein sehr schöner Pettycoat scheint das zu sein, meiner ist viel zu ausladend… Ich hoffe es gibt viele bleues Kleid Tage für dich! LG Sarah
formspielerins werke
Bei der (sehr schmeichelhaften) Sanduhrlinie muss man halt ein bißchen übertreiben. Da finde ich Push-up und Petticoat gar nicht schlimm zu tragen. Schönes Kleid! Bei dem Stand des Stoffes wirken die Falten besonders gut. Regina