Mein Cuff Top ist ein Fake – Burda Bluse 2/2018 #108
In meiner Umgebung kenne ich niemanden, der einfach so mit einer fake Gucci oder Chanel Tasche herumspazieren würde. Also, jetzt im Moment kenne ich niemanden, vor 20 Jahren hätte das noch anders ausgesehen. Die Jugendsünden… „Falschen“ Gold- oder Silberschmuck trage ich hingegen sehr wohl hin und wieder – „Modeschmuck“ ist die weniger vernichtende Bezeichnung dafür.
Aber wie sieht es mit einem fake Schnittmuster aus? Ein Schnittmuster, das vorgibt, zu sein, was es nicht ist… Das ist ein Thema für Nerds, herzlich willkommen!
Kein guter Zeitpunkt
Im Beitrag zu meiner Zitronen-Bluse habe ich erwähnt, wie gerne ich doch das gerade so angesagte Cuff Top von The Assemblyline nähen würde! Ausnahmsweise war es nicht nur der Zeitmangel, der mir da in die Quere gekommen ist, sondern auch meine Situation als Mama in Karenz. 19 Euro für ein schlichtes Schnittmuster, ohne Variationen? Außerdem ein Schnitt, den ich in nur einer Größe brauche? Seriously?
Für meinen Sohn habe ich bereits ein paar Schnittmuster um 11 Euro gekauft, also auch nicht gerade günstig. Die habe ich alle schon in zwei bis drei Größen genäht: 86, 92 und 98. Da die Kinderschnittmuster meist bis Größe 164 gehen, lohnt sich die Ausgabe früher oder später auf jeden Fall. Okay, vielleicht möchte er keine Slim Fit Leggins aus Jersey mehr tragen, wenn er 164 cm groß ist… Aber bis dahin kann ich mich ja austoben.
Die Schnittmuster für mich pause ich natürlich nur einmal in Größe XS ab. Nach dem Supergau für die Figur in Form von 8,5 Monate schwanger sein und wieder zurück zur Normalität erwarte ich keine großen Veränderungen mehr. Auch zeigt die Erfahrung, dass ich, so begeistert ich von einem Schnittmuster auch bin, es niemals öfter als 3 Mal nähe. Das Schnittmuster wäre also ein Luxuskauf – und ich liebe Luxuskäufe!.. Nur nicht gerade jetzt. Ich habe also im besagten Beitrag geschrieben, ich würde diesen Trend auslassen. Eigentlich wollte ich sowieso mit meiner Herbstkapsel anfangen.
Die Lösung, so einfach wie das Top
Da schreibt mir doch die liebe Sandra in einem der ersten Kommentare, Burda hat ein ganz änliches Schnittmuster! In der Februar-Ausgabe von 2018. Natürlich habe ich die Ausgabe, ich kaufe sie alle seit 2016.
Zu dem Zeitpunkt waren wir noch auf Urlaub am Meer, und ich konnte es die nächsten acht Tage kaum erwarten, zu Hause los zu legen! Wäre ich daheim, hätte ich das Top vermutlich noch am gleichen Abend zugeschnitten.
Der Stoff
Den Stoff hatte ich auch schon lange im Kopf, so lange, wie ich die Cuff Tops bei den Nähbloggern weltweit bewundert habe. Mittelschweres Leinen aus russischer Produktion, das ich vor Jahren von meinen Verwandten geschenkt bekommen habe. Damals hatte ich noch ganz wenig Erfahrung mit verschiedenen Stoffen, und die zwei Meter landeten ganz schnell ganz tief unten in meiner Stoffkiste.
Zu steif, zu knitterig, zu glänzend, zu grell orange. Was kann man denn überhaupt daraus machen? Eine steife Tischdecke?
Meine eigene Erfahrung, und, zugegeben, wieder mal der allgemeine Hype um Leinenstoffe haben mir geholfen, das Juwel als solches zu erkennen. Natürlich ist Leinen etwas steif und seltsam, wenn es direkt von der Fabrik kommt. Man konnte noch ganz gut die Webart erkennen: die Querfäden sind hell orange, die vertikalen Fäden blau. Wie ungewöhnlich!
Ich habe den Stoff zuerst mit meiner Dampfstation gebügelt. Ich habe gelesen, am besten bügelt man Leinen ganz heiß und trocken zum ersten Mal, aber ich habe nun mal nur die Dampfstation, also hat das Leinen gleich eine Dampfbehandlung bekommen. Danach war der Stoff schon mal nicht ganz so steif und hat nicht mehr hässlich geknittert wie dickes Papier.
Danach habe ich den Stoff ganz normal mit 40 Grad und Waschmittel gewaschen, im Wäschetrockner getrocknet (ein bisschen länger als notwendig) und anschließend wieder bedampft. Nach dieser Behandlung hatte ich plötzlich einen ganz anderen Stoff vor mir: weich, matt und von wunderschönem dezenten Lachsrosa.
Meine Anpassungen
Gleich vorab habe ich das Schnittmuster von der Größe 36 auf 34 gradiert. Das hätte ich nicht gemacht, wenn ich das „Original“ von Assemblyline genäht hätte, da würde ich mich wahrscheinlich mit XS zufrieden geben. Ich finde, dass es diesmal auf jeden Fall die richtige Entscheidung war, das Schnittmuster zu verkleinern, denn das Top fällt auch so dramatisch weit.
Das Cuff Top hat einen U-Boot Ausschnitt, den wollte ich ursprünglich auch bei meiner Bluse einzeichnen. Dann habe ich mich dran erinnert, dass ich halsnahe Ausschnitte im Sommer so gar nicht leiden kann und habe ihn so gelassen wie er war. Der Ausschnitt ist gerundet und weit und sehr angenehm zu tragen.
Im Gegensatz zum Cuff Top, das in Größe XS nur einen Meter Stoff erfordert, ist diese Bluse wieder mal ein richtiger Stofffresser. Ich denke manchmal, das ist ein Teil des Pflichtenheftes der Burda-Designer, den Stoffverbrauch so üppig wie möglich zu planen und somit die Wirtschaft mit anzukurbeln. Wegen dem angeschnittenen Ärmel kann man die Schnittteile im Stoffbruch gar nicht anders als untereinander auflegen, selbst in der kleinsten Größe. Somit wäre mein Leinen mit dieser einen Bluse ganz aufgebraucht. Dafür war ich viel zu geizig – der Stoff ist wirklich einmalig, wer weiß, ob diese eine Fabrik in der russischen Provinz überhaupt noch existiert?
Also habe ich im Rückenteil eine Naht eingefügt und das Schnittteil kopfüber versetzt zum Vorderteil auf den Stoff gepinnt. Damit hatte ich einen Verbrauch von weniger als einem Meter. Wie toll, es geht sich noch ein Rock für den nächsten Sommer aus! Vielleicht mit einer Knopfleiste vorne?…
Eine Ode an das Original
Ich bin sehr, sehr glücklich mit dem Projekt. Die Bluse ist fotografiert worden, nachdem ich sie schon zwei-drei Mal getragen und gewaschen haben und seit dem komme ich wieder nicht nach mit dem Waschen und Bügeln. Das Leinen wird immer weicher, je öfter ich es trage.
Und ja, ein Cuff Top bleibt in meinen Augen kein Basicteil, das man in zehnfacher Ausführung im Kleiderschrank braucht. Wenn man es – wie in den zahlreichen Beispielen präsentiert – aus mittelschweren Stoffen mit Stand näht, bekommt man ein stylisches markantes Kleidungsstück, das – im positiven Sinne! – 2019 schreit.
Und da sehe ich die Arbeit und das Gespür für Trends der Assemblyline Designer. Hier ist die Idee geboren worden, einen ungewohnt schweren bzw. steifen Stoff für eine schlichte Bluse zu wählen.
Anders als Burda, die jeden Monat mehrere Dutzens Schnittmuster rausbringt, haben die kleinen Indie-Firmen Ressourcen für ein paar Schnitte pro Jahr – diese müssen dann aber richtig einschlagen. Das ist dem Cuff Top absolut gelungen – und ich kann die Bluse uneingeschränkt weiter empfehlen.
Das Gesamtoutfit
Bluse: Schnittmuster Burdastyle 2/2018
Rock aus Jersey: Second Hand, und ohne Etiketten, sorry!!
Schuhe: Jil Sander
Tasche: DKNY
Verlinkt bei: MeMadeMittwoch
15 Kommentare
Heike
Dein Top sieht toll aus, witzig ist ja die Farbwandlung durch die Wäsche.
LG, Heike
Frau Nähfreundins Tagebuch
Dieser Hype ist an mir bisher irgendwie vorbeigegangen. Das besagte Burda-Top habe ich damals genäht und ich fand es ganz fürchterlich an mir. Ich denke, für diese Saumlösung muß man unbedingt schmale hübsche Arme haben. Und die hast Du und deshalb steht Dir das auch ausgesprochen gut.. Ich habe gerade eben die Suchmaschine dazu befragt und ändere Meinung nicht: bei vielen sieht nach meiner Meinung das Top nicht wirklich gut aus.
Daß sich das Leinen nach einigen Wäschen so ändert ist doch sehr angenehm.
Also wie gesagt, Bluse und Stoff gefallen mir sehr gut an Dir.
Liebe Grüße
Susan
erschöpftes Quota
Eine tolle Farbe und Struktur! Sehr feste Stoffe schüchtern mich noch ein…mir fehlt da oft das Zutrauen, dass sie mit den Wäschen weicher werden.
Deine Fotos sind ganz arg toll (wie immer)!
Sarah
Jo, das gefällt mir! Ich geh gleich mal die alte Burda suchen und schaue meinen Stoffstapel durch, da waren auch noch Leinenreste, wenn ich so geschickt puzzle wie du reicht es vielleicht noch… 😉 LG Sarah
Sabrina
Och, was für eine schöne Bluse! Mir gefällt vor allem der Ausschnitt super gut und es ist ein toller Schnitt für Leinenstoffe. Ich finde, das findet man sonst nicht soooo viele Anregungen. Also vielen Dank und ganz viel Spaß beim Tragen!
Sandra
Dein Cuff Top ist megaklasse und perfekt in Szene gesetzt!!
Danke für den tollen SM- Tipp, ich werde mir das SM genauer anschauen. Es passt in mein Beuteschema 🙂
LG
Sandra
Susanne
Sieht sensationell an dir aus, gut gemacht und so viel Geld gespart, : ).
Ich habe diesen Schnitt auch schon zweimal genäht und auch mir ist die Ähnlichkeit zum gehypten Cuff Top aufgefallen.
LG von Susanne
Juli
Danke! )) Haha, wenn ich beim Stoffkauf auch nur so viel Geld sparen würde, wie bei den Schnitten… 😉
Kathrin Holycows
Ich bin begeistert von deinem Top. Kann mir kaum vorstellen, dass der Stoff mal so ungeliebt war – er sieht wunderschön aus und die Farbe steht dir fantastisch. Die Fotos sehen aus wie aus einem Modemagazin – wirklich toll! Bei mir liegt das Top im Original noch auf dem Nähstapel, aber auch nur weil ich den Schnitt ausleihen durfte, sonst hätte ich auch sicher eine Fake Kopie gemacht. 19 Euro ist mir auch zu viel für so ein schlichtes Teil.
Juli
)) Ich bereue es sehr, kein Vorher-Nachher Foto vom Stoff gemacht zu haben, der Wandel war wirklich verblüffend!
Viel Spaß mit deinem zukünftigen Cufftop! Schnitte ausleihen ist ja genial, schade, dass ich nur virtuelle Nähfreundinnen habe.
Lina
Ein fake? Ein ganz wunderbarer fake! Mega schön kombiniert…gefällt mir. Sehr! 🙂
Liebe Grüße
Karin aka Lina
griselda
Großartige Inszenierung,
toller Text (Das Pflichtenheft bei Burdsdesignern mit dem irren Stoffverbrauch ist ja legendär)
und dazu dieses Top.
Respekt!
Juli
Danke für deine lieben Worte! ))
Sandra
Wie freue ich mich, dass Dir mein Hinweis geholfen hat. Und ich kann meinem Vorschreiberinnen nur zustimmen, die Bluse steht Dir wirklich hervorragend. Ich liebe die Farbe und kann die Haptik nach Deiner Beschreibung förmlich auf meiner Haut fühlen. Die Behandlungsmethode muss ich mir auf jeden Fall merken. Ich habe hier auch noch so einen störrischen Leinenstoff…
Was die Preise der Indie Designer angeht, stimme ich dir zu. Sie sind hoch. Und inzwischen ist es fast unmöglich, etwas herauszubringen, was Burda nicht in irgendeiner Zeitschrift schon gehabt hat. Deshalb ist es bei mir schon beinahe Reflex, erst einmal in die Burdas zu schauen, bevor ich mir woanders ein Schnittmuster kaufe 😁. Aber zum Glück für all die kleinen Designer denken ja nicht alle so wie ich. Und das sei ihnen auf jeden Fall gegönnt. Denn wie auch Dir ist mir klar, dass sie sehr viel Arbeit und Herzblut in ihre Designs stecken und ihre Preise sind deshalb natürlich sinnvoll, um überleben zu können.
LG Sandra
Juli
Liebe Sandra,
danke für dein Kommentar und natürlich auch für die Idee! Ich sehe das mit Indie-Designern genau so wie du. Einen Gedanken möchte ich noch ergänzen: die Stärke der kleinen Schnittmusterherausgeber können auch ausführlichere Anleitungen sein. Ich kann mir auch durchaus vorstellen, dass ich ein Schnittmuster für einen Mantel oder eine Jeans um dieses Geld gekauft hätte, wenn ich die Sicherheit hätte, dass die Anleitung mich quasi an der Hand nimmt und mich Schritt für Schritt mit guten Bildern oder auch Fotos begleitet. Diesen Luxus habe ich bei Burda leider nicht und ich merke, dass in ihren Anleitungen viele wesentliche Schritte oft ausgelassen werden. Ich weiß, was da fehlt, da ich auch Kurse besucht habe. Aber aus diesem Grund würde ich mich nie trauen, ein „Vier-Sterne-Modell“ von Burda zu nähen, da der Hergang bestimmt wieder nur zu 80% erklärt wird und auf den Rest komme ich alleine nicht drauf.
Auch schätze ich Schnittmuster für Kinder bei anderen Firmen sehr. Burda hat eindeutig den Schwerpunkt auf Mädchenmode gelegt, und grundsätzlich sehen dort alle Modelle wie für Erwachsene aus, nur eben in Größen 98 bis 134. Ich meine aber, mein Bub darf mit seinen 18 Monaten noch gerne ein Kind sein und nähe ihm bunte Leggins mit Baukränen, in denen er sich im Dreck wälzen und die Füße hinter den Kopf stecken kann.
Das war jetzt eine lange Antwort und ich hätte noch viele Gedanken dazu… Das Thema ist so weit, es hätte vielleicht einen eigenen Blogpost verdient ))
Liebe Grüße und einen schönen Herbst wünsche ich dir!
Juli